Ein Loch


Da ist ein Loch!

Da ist ein Loch … im Lieblingspulli des Pinklmannes. Da ist ein Loch … im Pinklgarten. Da ist ein Loch … im Arbeitsalltag. Da ist ein Loch … in der Kassenlade der Pinklfrau. Da ist ein Loch … in der Straße. Da ist … eine unbeschreiblich wunderbare Autobiographie von Portia Nelson, die ich in den letzten Wochen immer wieder lese. Mir bewusst heraussuche. Neben mir liegen habe. Um mich darin zu verlieren. Um darüber zu meditieren. Um mich darin zu erkennen. Um es auf die derzeitige Lage – weltweit – bundesweit – pinklhausenweit zu übertragen. Um mich daran aufzurichten. Um neue Anhaltspunkte zu finden. Um mich achtsam damit auseinander zu setzen … um es ineinander zu setzen … um miteinander Dinge zu versetzen …. um Meinungen übereinander zu setzen … aber ganz bestimmt nicht, um etwas gegeneinander zu setzen!

Autobiographie in 5 Kapiteln von Portia Nelson

  1. Ich gehe die Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich falle hinein. Ich bin verloren … Ich bin ohne Hoffnung. Es ist nicht meine Schuld. Es dauert endlos, wieder herauszukommen.
  2. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich tue so, als sähe ich es nicht. Ich falle wieder hinein. Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein. Aber es ist nicht meine Schuld. Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.
  3. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich sehe es. Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit. Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin. Es ist meine eigene Schuld. Ich komme sofort heraus.
  4. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich gehe darum herum.
  5. Ich gehe ein andere Straße.

Da ist ein Loch…

Dass ich schon mal in ein Loch gefallen bin … sekunden-, minuten-, tage-, wochenweise … dazu steh ich. Dass ich auch immer wieder rausgekommen bin, manchmal fast erneut hineingefallen wäre und seither das Loch zu umrunden versuche … dazu stehe ich auch. Dass ich an manchen Tagen auch überlege, ob es meine Schuld ist … auch dazu stehe ich. Die Frage, die mich wirklich beschäftigt, ist:

Wer oder was ist das Loch?

Ist das Loch ein reales Loch? Ein Schlagloch? Eines, der vielen in Neunkirchen? Ist es ein Loch in der Erde? Eines, das in den Bau eines Tieres führt? Ist es ein Loch für Hundeknochen? Eines, das der jüngere Pinklhund gegraben hat? Ist es ein Loch in meinem Herzen? In meiner Seele? … In manchen Situationen kann ich es benennen. Dann wieder nicht. In manchen Momenten kann ich darüber reden oder schreiben. Dann wieder nicht. In manchen Gedankenverwirrungen kann ich andere Wege finden. Dann wieder nicht. … Und somit drängt die nächste Frage:

An welcher Stelle befinde ich mich?

Heute in der Nacht war ich im Loch und hab nicht herausgefunden. Aber ich hab erkannt, wo ich bin. Anfang April war ich im tiefen Loch. Leider hab ich zu dem Zeitpunkt  keinen Ausweg gesehen. Gestern, nach einem Telefonat, in dem mich eine Aussage eiskalt erwischt hat, hab ich mir die Frage gestellt, ob ich daran Schuld bin und wirklich nicht mehr herauskommen werde. Obwohl ich eine Querundpositivdenkerin bin. Und wenn ich ehrlich bin, dann gehe ich seit Wochen um das Loch herum und überlege, ob es einen anderen Weg für mich gibt? Einen, den ich gehen will. Einen, den ich gehen kann. Einen, den ich bis jetzt noch gar nicht gesehen habe. Auf der Lebenslandkarte der Pinklfrau.

Ist da ein Loch?

Ja. Da ist ein Loch. Ein ziemlich großes sogar. Für die einen größer, für die anderen tiefer, für die nächsten kaum merkbar. Aber ja, da ist etwas löchrig. Da spielt der Pinklfrauleierkastenmann plötzlich ein anderes Lied. Hat sichtlich eine neue Lochkarte in die Lebens-Drehorgel eingelegt. Die Musik ist … noch eigen … noch anders, neu, ungewohnt … passagenweise bekannt … und dennoch fremd … manche Töne sind viel zu laut … andere werden nicht mehr gespielt … manche tun in den Ohren richtig weh … die Bässe lassen aus … und vor allem hat sich der Takt geändert … völlig verändert … irgendwie gut … irgendwie auch nicht … irgendwie ist die Schlagwerkabteilung so schwach geworden. Schade. Ich mag gut erkennbare Vorgaben. Einen lässigen Rhythmus. Einen Beat, bei dem ich mit muss. 

Ja, das Leben ist löchrig geworden. Irgendwer hat ausgesiebt. Irgendwer hat da gebohrt. Irgendwer hat eine neue Lochplatte eingelegt. Es wird noch ein bisschen dauern, bis wir die Tanzschritte zu dieser Musik erlernt haben. Die Pinklfrau und ich.

Wusste gar nicht, dass ich so von Vorgaben von vorgefertigten Mustersätzen abhängig bin. Arg.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/aufnahme-von-unten-ausgrabung-dunkel-froschperspektive-1601495/



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