Heavy Metal


26.04.2020 / Claudia Pinkl /

Leer

Ich sitze im Home-Office und will meinen heutigen Blog schreiben. 3x hab ich ihn begonnen und wieder gelöscht. 3x hab ich es versucht und wieder aufgegeben. Irgendwie ist der Schreibfluss nicht ins Starten gekommen. Irgendwie hat es nicht wollen. Dabei hab ich gerade eine irrlange WhatsApp an eine Klientin geschrieben, die im „Warum?“ hängt. Ein bisschen ausgebaut wäre es ein Blog geworden. Bestimmt ein guter. Aber im Kopf ist Leere.

Pinklmann, darf ich kurz stören?

Also klopfe ich an die Türe meines persönlichen Troubadours. Als ich in den Raum luge, grinst mich ein bestens gelaunter Pinklmann mit Kopfhörern auf der Glatze an. Musikalische Teufelchen tanzen sichtlich aus seinen Augen. Bevor ich ihn noch fragen kann, lacht er mich wie ein frischverknallter Teenager an und fragt: „Magst was Verrücktes hören? Ich hab gerade eine Heavy Metal Nummer geschrieben!“ WAS??? Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Mir fällt die Kinnlade runter. Meine Frage hat sich erübrigt. Auf die gerade gestellte Pinklmannfrage kann ich gar nicht mehr mit einem inbrünstigen „Danke, nein. Du weißt, dass ich diese Art von Musik nicht mag“, antworten. Weil da schmeißt er schon die Kopfhörer runter, drückt auf „Play“ und rutscht in einem Riesensatz mit seinem Sessel nach hinten. Ich seh schon die sauteure Tuba, die hinter ihm steht, umfallen und mit Dellen am Boden liegen. Aber nein. Er hat alles im Griff. Sie steht, weil er rechtzeitig bremst. …wow… und dann geht es los!

So viele Eindrücke

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll?! Während die Musik gespielt hat, haben seine Augen gestrahlt – wie schon lange nicht mehr. Er hat parallel noch mit einer Hand am Klavier mitgespielt und mit der anderen dirigiert. Plötzlich nach einer Luftgitarre gegriffen und ein Solo runtergelassen, dass ich es nicht glauben konnte. Imitierend, ja, aber es hat echt cool ausgeschaut. Dabei hat er seine Zunge gerollt, wie er es immer macht, wenn er von der Musik verschlungen wird. Wenn sie aus ihm heraus spricht. Unglaublich. Ich schließe kurz die Augen und spüre die Sonne, die durchs Fenster strahlt. Heute in der Früh haben wir darüber gesprochen, wie lange er noch „Corona kann mich mal“ rausschmeißen wird. Täglich. Was Neues. Unentgeltlich. Zur Belustigung und Unterhaltung für die Menschheit. Und für ihn. „Nicht mehr lang“, hat er da gemeint. „Vielleicht mach ich mal was Verrücktes“, hat er dann noch gesagt. Ahhhh, so geht verrückt – ich verstehe.

Verrückt sein

Während ich diese Zeilen tippe, höre ich im Nebenraum die fertige Version in einer Lautstärke, die ansonsten im Pinklhaus verboten ist. Weil Musik, die zu laut gespielt wird, den Ohren des Herrn Musikers nicht gut tun. 😉 Und weil Musik dann nicht mehr schön ist… Und jetzt das! Ich sitze grinsend vor dem Bildschirm, starre auf die Tasten vor meinen Augen und muss herzlich lachen.

Verrückt. Ja, das sind wir zwei Pinklwesen. Ver- rückt. Wir verrücken so einiges. Probieren aus. Sind neugierig. Und im besten Fall erfolgreich damit. Weil wir einen gerade Rücken haben und uns einig sind: buckeln ist nicht pinklisch. Aufrecht sein, dazu stehen und Rücken an Rücken durchs Leben zu gehen. Hand in Hand kann jeder…

Es einfach tun

Eigentlich wollte ich ihn vorhin fragen, ob er einen Input für meinen Blog heute hat. Dass er mir auf diese Weise weiterhelfen würde … nein, damit hab ich nicht gerechnet. Und dennoch hat er es gemacht. Weil er es einfach gemacht hat. Weil er sich dafür geöffnet hat und der Musik in ihm den Raum gegeben hat. Spannend. Wie leicht Dinge im Leben gehen können, wenn wir uns mit ihnen verbinden. Wenn wir uns dafür öffnen. Wenn wir es uns zutrauen. Uns leiten lassen. Offen sind. Spaß haben. An dem, was wir gerade tun. Wie ein kleines Kind. Das etwas Neues einfach ausprobiert. Und sich dabei nicht vergleicht. Oder glaubt, es müsse entsprechen. Sondern einfach seinem innersten Drang folgt. Seiner Neugier vertraut. Geduldig bei einer Sache bleibt. Weil die Sache  in diesem Moment für das Kind von einer so großen Bedeutung ist. Einen so großen Stellenwert einnimmt.

Sich im Moment verlieren

Das habe ich heute live erlebt. Wie es ist, wenn man sich im Moment verliert. Wenn man voll drinnen ist. Es voll auslebt. Mit allem. Mit Luftgitarre spielen und Schlagzeug imitieren und Head bangen. Schaut lustig aus … wenn man es nicht gewohnt ist … vor allem beim Pinklmann mit seiner Glatze …

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/auffuhrung-auftritt-band-beleuchtung-1238966/



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