Erkenne die Muster

Jetzt ist es ein Jahr her, seit ich von dem letzten Weg, den meine Mutter eingeschlagen hat, erfahren habe. Ein Jahr, in dem ich tausende Male froh und dankbar für meine intensive Auseinandersetzung mit meiner eigenen Biographie war. Und dass ich einfache Tools wie einen Atemzug nehmen oder die Frage, was ich in die kommenden Situation mitbringe, erlernt habe. Ja, ich habe das gelernt – zum Glück. Und das Hintergrundwissen, das mir mein Tun erklärt und mich an meine „neuen Lebensspielregeln“ halten lässt. Darüber bin ich wirklich froh. Und dieses Wissen gebe ich weiter, weil ich weiß, wie sehr ein Haltungswechsel hilft.

Palliative Betreuung

Es sind lebenserhaltende Maßnahmen, die ihr zuteil werden. Mehr geht nicht mehr. Der Krebs hat sie ausgezehrt. Hat sie fest im Griff. Zwingt sie in die Knie. Nimmt ihr das Leben. Wie viele Tage noch bleiben?! Darauf wollte sich niemand festlegen. „Wir können nicht in die Glaskugel schauen“, haben sie damals gesagt. Ich wusste, dass ihr nicht mehr lange bleibt. Und so habe ich mich, um diese alten Muster aufzulösen, wieder im inneren ursprünglichen Familiengefüge an meinen Platz gestellt. Für meinen Sohn. Für meine Tochter. Für meine Mutter. Auch für meinen Vater. Schlussendlich für mich.

Mein Platz

Im letzten Jahr habe ich viel Zeit in meinen Vater gesteckt. Wenn es heftig wurde, schaute ich auf seine Biographie und hatte Erklärungen. Konnte verstehen, warum er so agiert. Manchmal habe ihn sogar in Schutz genommen. Habe mir eingeredet, dass es die Demenz ist, die ihn so sein lässt. Dass sein wahres Sein immer schon A.-mäßig war, habe ich (wohl aus Eigenschutz) verdrängt. Und das, obwohl er ein Leben lang garstig zu mir war.

Mit einer großen Schutzmembran, die mich umhüllt, habe ich agiert. Um für meine Kinder stark zu sein und um alte Muster aufzulösen. Bis er sich vor einigen Tagen nicht im Griff hatte und mich geschlagen hat.

Lange habe ich überlegt, ob ich damit hinausgehen soll. Ob ich es niederschreiben soll. Ob ich es „teilen“ soll. Was würde es bringen? Mitleid?! – Nein, das brauche ich nicht. Warum dann? Warum würde ich dann damit hinausgehen?

Meine Biographie

In den letzten Tagen habe ich mich mit Hörbüchern zugedröhnt. Habe mich versteckt. Ich habe versucht, keinen Platz zwischen dem Reiz und meiner Reaktion zu schaffen. Ich will darüber nicht nachdenken und schon gar keine Emotionen zulassen. Diese Demütigung saß tief. Ich wollte doch nur helfen… Alles dreht sich in meinem Kopf.

Heute am frühen Morgen habe ich mich hingesetzt und eine der genialsten Techniken verwendet, um Probleme sichtbar zu machen und aufzulösen. Dabei ist mir (wieder mal) klar geworden, dass mich mein Vater – so wie früher viele Jahre lang – „im Griff“ hat. Dass er mein persönliches Geschwür ist. Dass er mich auszehrt. Mich klein hält. Mich in die Knie zwingt. Mir mein Leben und meine Leichtigkeit nimmt.

So, wie damals bei meiner Mutter.

NEIN, da mache ich nicht mehr mit!

„In der nächsten Zeit fährst du nicht mehr zu ihm. Ist das klar, Mama?“ Mein Sohn hat augenblicklich, als er von dem Wahnsinn hörte, meinen Vater zurecht gewiesen. Hat ihm die Leviten gelesen. Er hat mich in Schutz genommen und er schirmt mich und auch seine Schwester ab. Checkt meinen Vater alleine. Danke für die Pufferzone, Sohnemann!

„Wer nicht die Richtung ändert, landet am Ende dort, wohin der Weg ihn führt.“ (Laotse)

Ich muss die Richtung ändern. Ja, klar! Es braucht eine andere Haltung. Ein anderes Auftreten.

Also habe ich meine Grundbedürfnisse neu gereiht. Mich auf die Suche nach meiner eigenen Marmelade gemacht. Mit Hilfe des intuitiven Lösungsweges die Blockaden sichtbar gemacht. Ich habe geschaut, in welchem Element ich bin. Habe im großen MindfulBeing-Ordner meiner eigenen Ausbildung geblättert und dabei überlegt, wann ich meinen Platz verlassen habe.

Pinklisch sein

Das Platzverlassen kam stückweise. Hat sich eingeschlichen. Ich dachte, ich würde „eh“ mit einer klaren Haltung in mein Elternhaus gehen. Sichtlich habe ich wieder die Mädchenrolle eingenommen und die Pinklfrau irgendwo abgestellt. Meinen pinklischen Zauber abgelegt.

Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, dass da einige Komponenten in der letzten Zeit zusammengespielt und sich mit meinem Vater verbunden haben. Da sind diese böse Zungen, die über mich reden und die Menschen, die deren „Böse-Zungen-Worte“ ohne Hintergedanken an mich weitergetragen haben. Zack – das hat mich einige Schritte von der Pinklfrau entfernt.

Und Versprechungen, die nicht gehalten wurden, weil „du eh so verständnisvoll bist, Claudia“. …wieder einige Zentimeter von mir weg…

Wünsche und Erwartungen von anderen Menschen, die meine Grenzen schamlos überschritten hatten. …und wieder ein Stück…

Und dann das Übermaß an Arbeit, weil Seminararbeiten, Portfolios und viel mehr am besten vorgestern fertig sein müssen. Ja, es ist mein Job. Dennoch war es im Juni/Juli irre. …Pinklraumverlust…

Ich hab es gecheckt

  1. Ich pinkle. Ende der Geschichte.
  2. Ich bin dankbar für meine pinklische Familie.
  3. Ich stehe zu mir.
  4. Ich nehme den von mir gewählten Platz ein.
  5. Ich ICH-kenne mich an.
  6. Ich gehe raus aus dem scheinbaren Müssen und baue mehr Pinklfrauzeiten ein.
  7. Ich mache mein Denken, Wissen und Sein bewusst sichtbar. (Weil bestimmt jede*r seine*n eigene*n Platzverdränger*in hat, der*die zuschlägt)

Ja, auch ich gehe durch die Hölle und bin verletzbar. Schlage manchmal den falschen Weg ein. Bin nicht immer nur „die Coole, die weiß, wie es geht“. Und?! Das ist einfach so. Also stehe ich dazu. Für mich. Für meine wunderbaren Kinder. Für meinen geliebten Pinklmann. Und für alle, die es brauchen und sich auf das Abenteuer Leben einlassen.

Weil sich Muster nur verändern lassen, wenn man sie erkennt.