Nestwärme und der Achtsamkeitsschei*

Ich weiß nicht so recht, aber irgendwie war das heute ein besonderer Tag. Den Vormittag habe ich an der Pädagogischen Hochschule mit Besprechungen verbracht. Eine war geplant. Die andere ist passiert.

Beiden waren goldwert. Anregend. Berührend. Befruchtend. Nährend. Ich habe von dem ersten Austausch mit einem Kollegen, den ich heute kennen und sofort zutiefst schätzen gelernt habe, neue Ideen mitgenommen. Erweiternde Sichtweisen erhalten. Mich mit ihm im Austausch unendlich wohlgefühlt. Als die veranschlagte Zeit um war, war ich sogar ein wenig traurig.

Der zweite Austausch war mindestens ebenso … was für ein Wort soll ich da nur nehmen?! Vielleicht sollte ich „Copy + Paste“ drücken.

WOW. Es war einfach WOW. Punkt.

Ja, genauso war der Vormittag. Ich habe das Gefühl gehabt, zur rechten Zeit am richtigen Ort mit den passenden Menschen zu sein, um sich mit ihnen auf den Kammerton a einzustimmen. Also wenn aus dem was wird, dann wird das einfach nur WOW!

Ich dachte, du kommst nicht mehr!

Als ich später zu der alten Eiche kam (später als im Nachrichtenheft der alten Eiche festgehalten) wurde ich mit den mahnenden Worten begrüßt: Ich dachte du kommst heute nicht mehr!

Aber nein, Papa, ich habe dich doch angerufen und dir gesagt, dass es später wird. Naja, und da stand dann meine Antwort gegen seine Vergesslichkeit. Was soll ich sagen?! 0:1 für ihn. Dass er sich auf der Zeitung notiert hat, dass Claudia um 15:15 kommt, war um 15:10 nicht mehr nachzuvollziehen. Aha, so ist das jetzt. Ich habe durchgeatmet.

Ein Wahnsinn ist das!

Bei der großen Schwarzföhre angekommen, höre ich heute mehr Grantlerei als sonst. Grantlerei, das ist was, in dem die große Föhre schon auch sehr gut sein kann. Ich erinnere mich, dass sie das früher besonders gut konnte. Immer dann, wenn sie überfordert war. Oder wenn es nicht in ihr Schema gepasst hat. Dann, wenn sie nicht im Mittelpunkt gestanden ist oder es nicht nach ihrem Kopf gegangen ist.

Und heute hat sie gezeigt, dass sie es immer noch kann: Nichts hat gepasst. Es war zu warm. Der Beistelltisch zu weit weg. Das Bett zu flach. Das Nachhemd zu offen. Das Essen nicht würzig genug. Meine Hilfe zu viel. Der Polster zu hoch. Die Hand im Weg. Sogar das Angebot des Palliativteams sich um einen Platz in einem weiteren Hospiz zu bemühen, damit sie gut untergebracht ist, war zu spät. Nicht flott genug. Alles war heute ein Wahnsinn. So unmenschlich. Nicht menschenwürdig.

Hmmmm – da habe ich mir echt schwer getan. Da hat auch das Atmen nichts genützt. Den Raum zwischen dem Reiz und meiner Reaktion war klein. Sehr klein. Und schmal war er auch. Äußerst schmal – dieser Bewusstseinsraum. Und dann habe ich gesagt, dass ich weiß, dass es schei*e ist. Und dass sich ALLE bemühen. Jede*r mehr gibt als möglich. Und dass es weder für uns noch für sie leicht ist. Und dass es nichts bringt. Ahhhhhhhh!

Schei* Achtsamkeit

Und dann ist was passiert. Was Arges. Mein (Selbst-)Mitgefühl ist einfach an die Bar gegangen und hat sich einen AperolSprizzzz nach dem anderen reingeschüttet. Bis es hackdicht war. Es wollte einfach nicht mehr. War angepisst. Stockbesoffen hat es mich dann gefragt, wann es auf Urlaub fahren darf. Oder ob es kündigen darf. Es hat gemeint, dass es müde ist. Dass es eine self-compassion-fatigue hat. Ob ich ein ärztliches Attest haben will oder ob es jetzt einfach mal daheim bleiben kann. Bis der Kater vorbei ist.

Zuerst habe ich mal ziemlich blöd geschaut. Dann habe ich gelacht und zum Schluss geweint. Und dann – dann habe ich ausgeatmet, den Raum verlassen. Am Gang hab ich mich zum Fenster gestellt und rausgeschaut. Hinaus auf die große grüne Wiese. Nach ein paar Atemzügen ist mir die Sache mit der Nestwärme eingefallen: In einem Nest ist es warm. Warum?! Weil die Vögel aneinander reiben.

Mit anderen Worten: Überall dort, wo man sich wohlfühlen und wo man daheim ist, da reibt man sich. Demnach fühlt sich Mama in meiner Nähe so wohl, dass sie loslässt. Sich aufregt. Nicht über das, was sie scheinbar bemängelt, sondern über den Zustand, in dem sie sich befindet. In einem menschenunwürdigen Zustand. Sie empfindet sich so. Mein Selbstmitgefühl war im Moment wieder nüchtern und hat seine Arbeit wieder mit Liebe, Dankbarkeit und Herzenswärme aufgenommen.