Wer bin ich – und vor allem: Wie viele?

Wer bin ich? 1000 Mal hab ich mir diese Frage schon gestellt. 1000 unterschiedliche Antworten gefunden. 1000 neue Fragen aufgeworfen. Wer bin ich – und vor allem – wie viele bin ich?

Facebook und Co.

Eine Challenge jagt die andere. Poste ein Foto mit deinem Tier. Poste dein Lieblingsbuch. Poste deine 5 liebsten Songs. Poste, wann du zum letzten Mal glücklich warst… Und dann diese Regmichauf-Challenge: Poste ein Bild von dir vor 10 Jahren und eines von heute.

Na genau, da bin ICH SICHER NICHT DABEI! … hab ich doch im Sommer Fotos von mir „vorgehalten“ bekommen. Mit den Worten: „Na du hast dich verändert!“ Sie hat mich gegoogelt und gefacebookt. Und hat mir meine Veränderungen schwarz auf weiß – nein: grün auf blau und rot auf gelb präsentiert. Keine Ahnung, was mich mehr aufgeregt hat: Dass ich durchforstet, meiner Fotos „beraubt“ und mit denselben (also mit der Realität) konfrontiert wurde oder dass man mir Veränderung vorwirft.

Näher betrachtet waren es die ersten Punkte. Denn Veränderung gehört zu meinem Leben …

Veränderung – Mein 2. Vorname

Im November hab ich meinen Schwiegereltern mein neues Institut gezeigt und sie zu einem Glas Sekt eingeladen.  Die Pinklmama lacht mich an, prostet mir zu und sagt: „Alles Gute, aber jetzt darfst du dann mal ankommen!“ Ich kenn und lieb sie, und kann sicher sagen: Das war nicht böse gemeint. Sie weiß zu genau: Da kommt bestimmt bald wieder was an Veränderung.

Wenn ich Hans beim Einkaufen in seinem Geschäft seh, dann passiert es immer wieder, dass er zwei Mal schauen muss, weil ich gerne meinen Stil und meine Frisur ändere. Wir lachen dann, weil es ihm unangenehm ist, dass er mich nicht gleich erkannt hat. Ich hab damit kein Problem und wäre ihm nie böse, wenn er mich „übersehen“ würde. Ich selbst fühl mich ja gleich, blosß schaut dieses verkehrte Chamäleon Claudia ständig anders aus 😉

Wer meine berufliche Entwicklung kennt, weiß, dass ich mit meinen bald 44 Jahren schon einiges „durch“ hab. Veränderung ist bei mir auch im Jobkontext kein Fremdwort. Es ist meine Überzeugung. Solange ich meinen Namen darunter setzen kann, solange kann ich diesen Beruf auch ausüben. Und als ich als Leiterin einer Volksschule nicht mehr meinen Namen unter so Vieles setzen konnte, überlegte ich mir eine Plan B.

Davonlaufen – nein, nicht mehr!

Klar kann man mir vorwerfen, dass ich „schnell“ das Handtuch hinschmeiße, doch wer mich kennt – wirklich kennt – der weiß, dass ich wohlüberlegt handle. Und davor alles in meiner Macht stehende ausprobiere, bevor ich sag: Da passt mein Name nicht mehr darunter. Das ist nicht mehr stimmig.

Sicher hat es Momente in meinem Leben gegeben, da wollte ich davonlaufen. Weit weg und das bitte schnell!  …weil ich keine Lösung gesehen hab… Damals zum Beispiel, als ich mit 25 Jahren an einer Blutvergiftung beinahe gestorben wäre und für mein Leben meine Gebärmutter gab.

Aber dieses prägende Erlebnis, hat mein Leben so richtig auf den Kopf gestellt und mich Stück für Stück näher zu mir selbst gebracht. Das Burnout vor mittlerweile elf Jahren war eines der besten Momente in meinem Leben. Wirk-l-ich. Es hat in mir ge-wirkt. Mich lebendig gemacht. Mich ausgepackt. Mein Leben neu geordnet. Und mir gezeigt, unter welche Situationen ich meine Namen nicht mehr setzen will. Wer ich nicht mehr sein will.

Geliebt werden, bitte vielleicht.

Hat mir früher jemand das Gefühl gegeben, nicht liebhabwürdig zu sein, dann hab ich das viele Jahre persönlich genommen. Hab versucht mich anzupassen. So zu sein, wie es erwartet wird. Es schaudert mich, wenn ich daran denke. Ich hab es gemacht, weil ich auf LIEBE gehofft hab. Die ich dann, von genau jenen Personen NICHT bekam. Es hat lange weh getan. Wirklich weh getan. Und ich hab mir die Haare aus Protest Rot oder Platingrau gefärbt, oder wachsen lassen – weil ich weiß, dass SIE keine langen Haare mögen.

Seit dem Burnout arbeite ich täglich an mir. Selbstreflexion steht am täglichen Speiseplan. Weiterentwicklung auf der Tagesordnung. Neudenktraining ist Teil meines Alltags. Und KannstdudichindenSpielgelschauen Teil des Abendprogramms.

Heute stelle ich mir nicht mehr die Frage, ob mich die anderen lieb haben, weil ich ihren Wünschen entspreche. Nein, ich frage mich, ob ICH MICH, so wie ich gerade bin, mag. Mit allem was schief läuft, was an Unzulänglichkeiten und Erfolgen da ist.  Ich versuche ohne Wertung anzuerkennen was ist.

Achtsam sein

Seit Oktober studiere ich Achtsamkeit. Ja, das kann man studieren! Und ich liebe dieses Studium. Achtsamkeit in Bildung, Beratung und Gesundheitswesen.

Seither hat sich schon wieder so vieles geändert. Da zeigt sich gerade eine neue Claudia. Eine ruhige, langsam(er)e, befriedete, Sachen unfertig lassende, meditierende Claudia. Eine Claudia, die noch weniger bewertet, als sie es zuvor gemacht hat. Eine Claudia, die zum ersten Mal seit mehr als 25 Jahren ungefärbt durchs Leben geht. Eine Claudia, die wieder Natur ist. Braun. Ohne Strähnen. Ohne Farbe. Mit weißen Haaren (wie geil ist das!!!) und mit so kurzen Haaren, wie damals, als sie Kind war und nichts mehr als Liebe und Anerkennung von Mama und Papa wollte und dafür ALLES getan hat … Ganz achtsam hat sie gelernt mit ihrer Kindheit, Jugend, ihren prägenden Mustern in Frieden kommunizieren zu können.

Es ist stimmig

Heute weiß diese Claudia, dass sie sich selbst einfach so lieben kann, darf, muss, soll, … egal … so liebt, wie sie ist. Und dass ihr Leben nicht von der Liebe anderer abhängt, oder vom Feedback von KollegInnen oder SchülerInnen oder Vorgesetzten oder KlientInnen.

Heute weiß diese Claudia, dass die Menschen, die diesen langen Weg mit ihr bis hierher gegangen sind, WAHRE WEG-BE-GLEITER und WEG-BE-REITER sind – Danke dafür!

Heute weiß diese Claudia, dass Perfektionismus, Protest, Trauer, Wut und Angst sie ein Stück des Weges begleitet haben und wunderbare Werkzeuge waren. Und dass Achtsamkeit, ein Annehmen dessen was ist ohne zu bewerten, ihr Leben stimmig macht. Ihr eine Stimme für ein anderes, verändertes Denken, Sein und Tun gibt.

Heute weiß diese Claudia, dass sie es in unzähligen Facetten gibt. Dass sie in allen Farben der Natur schillert und leuchtet und strahlt. Dass sie lebt.

Heute weiß diese Claudia, dass Veränderung Teil ihres Lebens ist. Dass sie die Metamorphose lebt. Dass sie Vorbild ist. Dass sie ihren Namen – Claudia Pinkl – unter das Projekt Claudia Pinkl setzen kann, muss, soll und will. Und dass sie es tut … weil es stimmig ist.

Bildquelle: privat