No coming – no going


27.08.2022 / Claudia Pinkl /

Es ist Seminartag. Seit mehr als 9 Monate steht das Seminar mit heutigem Datum fest. Loslassen – Sterben und Tod. Wie bizarr.

Pssst! Still werden.

Die Stufen zum Institut hinauf sind mit einzelnen Blättern geschmückt. „Still werden. Still im Innen. Still im Außen. Psssssst.“ Bilder, die zum Thema Sterben passen, säumen den Weg zu meinen Räumlichkeiten. Die Teilnehmerinnen sollen schon beim Kommen eingestimmt werden. Gestern habe ich alles vorbereitet. Mich auf das Seminar eingestellt. Die Unterlagen gedruckt. Die Tische bereitet. Die Videos überprüft. Den Meditationsraum einladend gestaltet. Taschentücher bereitet. Heute wird erfahrungsgemäß viel geweint werden. Und gelacht. Das war beim letzten Loslassen-Seminartag auch so.

Ich bin still. Innen und außen. Mal schauen, wie oft mir die Tränen über die Wangen kullern werden.

Es ist Samstag.

Der Tag, nachdem die alte Eiche mit dem Spaziergänger bei der großen Schwarzföhre im Krankenhaus war. Ein Besuch, der sicherlich für niemanden von den dreien einfach war. Nicht für den Spaziergänger. Nicht für die alte Eiche. Schon gar nicht für die große Schwarzföhre. Ich war nicht involviert. Der Schmetterling auch nicht.

Die alte Eiche hat mit der kleinen Föhre so ihre Herausforderungen. Probleme. Nein, das stimmt nicht. Das ist alles noch viel zu fein umschrieben. Die Eiche kann einfach mit der kleinen Föhre nicht. Sie passt nicht in ihr starres Bild. Pasta.

Obwohl Föhren und Eichen doch Bäume sind, denke ich. Wo ein Wille, da ist ein Weg – kommt mir zumindest in den Sinn. Ich atme. Spüre nach. Nehme wahr, dass ich noch Zeit brauche. Dass ich zwar schon recht gut in Annehmen-Akzeptieren-Nicht-Bewerten-Vertrauen-Nicht-Greifen und Mama-Loslassen bin. Aber da ist noch ein kleines Loch im Herzen. Das neigt dazu wieder aufzuspringen, wenn man zu frühzeitig am Schorf kletzelt. Ich lecke meine Wunde. Schenke ihr Beachtung. Sehe sie. Pflaster brauche ich keines.

Selbstmitgefühl

Der Moment des Selbstmitgefühls hat gut getan. Da taucht dieses Gefühl wieder auf. Es kitzelt im Herzen, kribbelt im Bauch, wärmt die Handflächen und lässt die Fußsohlen erbeben. Ahhh – Dankbarkeit macht sich in mir breit. Ich bin einmal mehr dankbar. Dieses Mal für den Spaziergänger (und das bin ich jeden Tag, seit ich mich vor mehr als 29 Jahren für das Leben des Spaziergängers entschieden habe). So ein tougher, junger Mann. Ich ziehe meinen Hut vor seiner Courage. Vor seinem Einsatz. Vor seiner Größe. Seinem Verantwortungsbewusstsein. Wenn er nicht wäre und so wäre wie er ist … Ich schließe die Augen und lasse los.

No coming – no going

Ich lausche der Musik. Sie wird heute den Raum mit Leben erwecken und vom Sterben erzählen. Gänsehaut läuft mir über den Körper. Sterben gehört zum Leben. Wenn sich die Energie zurückzieht, dann stirbt der Mensch. Die Energie der großen Föhre ist endlich. Ich denke an Thich Nhat Hanh. Ein Berührt-Sein lässt mich schmunzeln.

Wir vergessen, dass es kein Kommen und keine Gehen gibt, sondern nur ein Inter-Sein. Ein In-dir-Sein, in allem was man tut. Ein Dich-in-mir-Haben, egal wo ich bin. Ein Loslassen, damit du frei sein kannst. …und eigentlich auch man selbst…

No coming no going



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